6. Juni 2022 / Allgemeines

Gunter Demnig verlegt die letzten Stolpersteine in Kalkar

Kle App NEWS

Der Verein “STOLPERSTEINE in Kalkar“ setzt sich seit Ende 2017 für das Kunst-Projekt „STOLPERSTEINE“ von Gunter Demnig ein. Es geht um die Verlegung von Gedenksteinen für die Opfer des NS-Regimes. In Kalkar lebten einst 15 jüdische Familien, die allesamt von den Nationalsozialisten entrechtet, deportiert und viele ermordet wurden.

Am 10.6.2022 wird der Künstler Gunter Demnig ein letztes Mal in Kalkar zu Gast sein, um 14 Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnhäusern vierer jüdischer Familien zu verlegen. Die Namen der Familien Simon Spier, Abraham Cohen, Hugo Cohen und Salomon Cohen kehren somit an ihre einstigen Wohnorte zurück. Insgesamt 67 Stolpersteine erinnern dann in der Stadt Kalkar an die Schicksale der ehemaligen  jüdischen Familien. Schicksale, die allesamt tief erschüttern und die zumeist mit der Ermordung in einem Konzentrationslager endeten.

Das Projekt „STOLPERSTEINE“ von Gunter Demnig entstand 1996. Der erste Stolperstein wurde 1996 in Berlin-Kreuzberg verlegt.  Mittlerweile sind ca. 90.00 Gedenksteine in 1800 europäischen Städten und 28 Ländern verlegt worden. Die Anfänge und die Entwicklung seines Projekts erläuterte Demnig auf einer Informationsveranstaltung bei seinem ersten Besuch in Kalkar.

Die ersten 14 Messingtafeln wurden am 2.10.2018 in der Kalkarer Monrestraße 20 und 22 für die Familien des Viehhändlers Oskar Schürmann und des Kaufmanns Albert Spanier verlegt. Die Inschrift auf acht Steinen endet mit „ERMORDET“. Die Flucht nach Brasilien und somit das Überleben glückte nur den Geschwistern Lina und Siegfried Schürmann.

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 begannen die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung. Auch alle 15 jüdischen Familien Kalkars mussten Schicksale wie Flucht, Trennung, Deportation, Internierung und Ermordung erleiden.

Wie groß das menschliche Leid der Juden im Nationalsozialismus gewesen sein muss, lässt eine bewegende Videobotschaft von Ruth Willdorff geb. Isaac erahnen. Für die Familie Arthur Isaac wurden bei der Verlegung im Dezember 2019 acht Stolpersteine auf der Kesselstraße 12 verlegt. Betty Willdorff und ihr Ehemann waren dazu aus Palo Alto in Kalifornien angereist. Ihre Mutter, die heutige 95-jährige Ruth Willdorff war seinerzeit den Gräueltaten des NZ-Regimes ausgeliefert. Sie überlebte als einzige Jüdin aus Kalkar ein KZ. Ihre Jugenderlebnisse von 1933 bis 1939 in Kalkar sowie das Schicksal ihrer Familie und ihren persönlichen Leidensweg beschreibt Ruth Willdorff  in einer Videobotschaft auf eindrucksvolle Weise. 1933 kehrte ihr Vater Arthur Isaac mit seiner Familie von Mayen in seine Heimatstadt Kalkar zurück. Aber in Kalkar fanden er und seine Familie nicht die erhoffte Sicherheit. 1938 begannen für die damals 11-jährige Ruth Jahre der Flucht, Internierung und schließlich die Deportation in das Frauenlager in Bergen-Belsen. Nach dessen Befreiung 1945 durch amerikanische Truppen emigrierte sie in die USA und hat als Überlebende des Holocaust über ihr Schicksal berichtet.

Auch Mario Zurr fand für die Familie ihres Vaters, Alfred Vyth ergreifende Worte. Mit mehreren Familienangehörigen war sie aus den Niederlanden zur Verlegung der Stolpersteine auf der Kesselstraße im Dezember 2019 angereist.

Wegen des wachsenden Antisemitismus in Kalkar beschloss Alfred, der älteste Sohn von Max und Berta Vyth, nach Nimwegen zu fliehen. Dort überlebte sowohl er als auch seine ältere Schwester Ilse. Seine Eltern und auch die beiden 18-jährigen Schwestern Lore und Ellen wurden in Auschwitz ermordet.   

Für die Familien Gusatv Vyth, Marcus Vyth, Jacob Vyth und Alexander Stern wurden 2020 insgesamt 12 Stolpersteine in der Grabenstraße und am Markt verlegt. Auch hier lautet die Inschrift auf sieben Steinen „ERMORDET“. Das gilt auch für den Gedenkstein für Gustav Vyth auf der Grabenstraße 72. Der Viehhändler engagierte sich in den Jahren von 1924 bis 1929 als Ratsmitglied für die Bewohner der Stadt Kalkar. 1937 flüchtete er in die Niederlande und wurde 1943 im KZ Sobibor ermordet. 

Die nächste Verlegung 2021 umfasste nochmals 13 Stolpersteine für die Familie Siegmund Spier, Kesselstraße 15, die Brüder Moritz und Isac Spier, Kirchplatz 5, die Eheleute Emil und Paulina Spier, Monrestraße 69 und die Familie Louis Elkan, Hohe Straße 34.

Moritz Spier wurde im Juli 1942 als letzter Kalkarer Jude deportiert und 1944 im Ghetto Minsk ermordet. Mit der  Deportation des 76-Jährigen galt die Stadt Kalkar ab 1942 als judenfrei. Die Namen der Familie Simon Spier, Abraham Cohen, Hugo Cohen und Salomon Cohen werden mit der Verlegung  am 10.6 2022 in die Stadt Kalkar zurückkehren. Insgesamt 14 Stolpersteine werden an diesem Tag verlegt.

Auf dem jüdischen Friedhof erinnert eine kleine Grabplatte an Erich Spier. Er wurde nach den Novemberpogromen 1938 verhaftet und nur wenige Wochen später am 28.12.1938 im KZ Dachau ermordet. Erich Spier ist das erste KZ-Opfer aus Kalkar. Dieses Schicksal erlitt auch die Familie von Hugo Cohen.  Gabriel, der jüngste Sohn des Viehhändlers Hugo Cohen, hatte gr0ße Pläne für seine Zukunft. Nach einer zweijährigen landwirtschaftlichen und gartenbautechnischen Ausbildung auf der Jüdischen Jugendfarm Catharinahoeve in den Niederlanden als „Junger Pionier“ erwarb er das Einwanderungszertifikat für Palästina. Aber dann erfolgte der Einmarsch der Deutschen und die Ausreise war nicht mehr möglich. Der 19-Jährige wurde 1943 nach Sobibor deportiert und am 4.6.1943 ermordet. Seinem älteren Bruder Werner gelang 1939 die Flucht nach Buenos Aires, Argentinien. Die Eltern Hugo und Paula Cohen wurden beide ermordet.

Alle Verlegungen wurden von Kalkarer Schülerinnen und Schüler mitgestaltet. Bei den ersten Verlegungen fassten Schüler des Jan-Joest-Gymnasiums die einzelnen Biografien zusammen. Für die kommende Verlegung ist die Geschichts-AG der Städtischen Realschule mit den Vorbereitungen befasst.

Dass mit der Verlegung am 10.6.2022 insgesamt 67 Stolpersteine für alle jüdischen Familien der Stadt Kalkar verlegt sein werden, ist den Spenden vieler Kalkarer Bürgerinnen und Bürger zu verdanken.

Auf  der Internetseite www.stolpersteine-kalkar.de werden alle Schicksale der 15 jüdischen Familien ausführlich beschrieben. Historische Fotos zeigen auch  ihre ehemaligen Wohn- und Geschäftshäuser in Kalkar.

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